Welcome to Bremen! Tímea Piróth zu Gast bei Pia Pollmanns

Ein Interview.

Timi, du bist nun seit drei Wochen zu Gast bei Pia Pollmanns und wohnst bei ihr in der Wohnung. Das künstlerische Arbeiten erfolgt an zwei Orten, in zwei voneinander entfernten Ateliers.
Dürfen wir etwas darüber erfahren, wie dein/euer Alltag abläuft? Gibt es überhaupt schon so etwas wie einen Alltag?

Tímea: Ja, den gibt es schon: Morgens starten wir gemeinsam mit einer Tasse Kaffe und planen den Tag. Wenn das Wetter schön ist gehe ich im Werdersee schwimmen, da wir hier sehr nahe dran wohnen. Wenn nicht, fahre ich gleich zu Kellogs ins Atelier. Lese ein Buch, schneide meinen Film. Und wenn ich zwischendurch ermüde, drehe ich eine große Runde mit dem Rad.

Was ich hier in Bremen – im Gegensatz zu Budapest – wirklich sehr schön finde, ist, dass du hier in wesentlich direkterem, tieferem Kontakt bist mit dem Wasser. In Budapest hast du die Donau, was wirklich wunderbar ist. Aber eigentlich hast du nur auf der Margareteninsel freien Raum mit mehr Natur, ansonsten gibt es keine so intensive Verbindung zum Fluss. Diesen Kontakt zum Wasser genieße ich sehr, da ich selbst in einer kleineren Stadt an der Donau geboren bin, wo du einfach am Wasser sitzen und Boote betrachten konntest.

Außerdem gefällt mir die Bauart, der Fabrikstil des Kellog’s Gebäudes sehr und die Gegend drumherum. Walle, oder?!
Zuhause arbeite ich im AQB, was auch ein Fabrikgebäude ist.
So spüre ich Ähnlichkeiten, kann mich hier aber einfacher in unterschiedlichen Grünbereichen bewegen.
Wenn ich mit der Arbeit fertig bin, haben wir oft Pläne, gehen zu Ausstellungseröffnungen, treffen Künstler*innen.

Pia: Ich habe mir natürlich schon viele Gedanken im Vorfeld gemacht, wie wir die ersten Tage gestalten. Und was davon ich damals in Budapest als sehr schön erinnere. Als ich letztes Jahr für ca. zwei Wochen zur Recherche dort war – vor der eigentlichen Zeit des Austausches – habe ich es sehr genossen, dass Bea mich gleich ihren Freunden vorgestellt hat. Natürlich wollte ich auch meine Idee entwickeln, aber ich brauchte dafür eben auch Eindrücke von der Stadt, und so traf es sich perfekt, dass Bea und einige ihrer Freunde mir einfach ihre Lieblingsorte zeigten. Wir haben dabei viel Zeit an der Donau verbracht.

Sehr angenehm, sich gleichzeitig an Budapest zu erinnern und zu überlegen, wie wir hier die ersten Tage gestalten könnten. Ich hatte auch ein paar Leute gefragt, was deren Lieblingsorte hier in Bremen so sind. Die befinden sich tatsächlich oft am Fluss und am Wasser. Und im Grünen.

Am ersten Tag nahmen wir die Räder, fuhren in die Stadt an einige Orte, anschließend hier in mein Atelier im Güterbahnhof. Danach zeigte ich Timi das Atelier im Kellog’s Gebäude. Weiter ging es ins Hafenkasino, Kaffeetrinken, aufs Wasser gucken und wir machten uns Gedanken über unsere Struktur während Timis Aufenthalt.

In den Tagen darauf trafen wir viele unterschiedliche Personen und verschiedene Künstler*innen, damit Timi rausfinden kann, wen sie interessant findet und Zeit hat, sich zu überlegen, wen sie gerne näher kennen lernen und dann nach Budapest einladen möchte …

Insgesamt mag ich es wirklich sehr, dass wir den Tag immer zusammen beginnen und meist auch gemeinsam beenden.

Das klingt aber wirklich entspannt.

Tímea: Das ist der beste Begriff für meine Zeit hier. Als ich ankam und mich hier mit dem Rad ein wenig umsah, war mein erster Eindruck, dass alle hier so eine Ruhe ausstrahlen, schön langsam fahren, und alles easy erscheint.

Aha… ! Und – hast du schon einen Lieblingsort hier?

Tímea: Ja, Pia hat es schon erwähnt vorhin – das Hafencasino.

Du kommst aus Budapest und bist dort Teil der Kunstszene, als Solo-Künstlerin und zeitweise auch in Kooperationen. Wie findest du Bremens Kunstgeschehen und -szene auf den ersten Blick?

Tímea: Ich habe ja tatsächlich erst einen sehr kleinen Eindruck von Bremen. Und der bezieht sich natürlich hauptsächlich auf die Künstler*innen, die Pia mir bisher vorgestellt hat. Aber alle, nicht nur die Künstler*innen meinen, dass dies hier ein echt angenehmer Ort ist, um zu leben und zu arbeiten. Und dass sie nie vorhatten, hier zu bleiben, es aber irgendwie passiert ist. Das ist echt interessant für mich. Weißt du, wenn du an Deutschland oder deutsche Städte denkst, hast du Bremen ja gar nicht im Kopf.
Du denkst erst an Berlin, Leipzig, München etc.
Aber hier leben wirklich total interessante Menschen. Ich mag zum Beispiel das Leben am Güterbahnhof sehr, es gibt so viele ganz unterschiedliche Ateliers; die auf der Längsseite sind ganz anders als die im Hauptgebäude. Und ich habe das Glück, bei einigen Künstler*innen Einblick in den künstlerischen Arbeitsprozess zu erhalten.

Ich habe schon viel darüber nachgedacht, dass die Leute hier irgendwie eher minimalistisch, reduziert arbeiten. Zuhause haben sie alle so einen Vibe. Sie wollen immer etwas (Großes) schaffen. Es ist viel lauter als hier. Für mich ist das hier gut, ich komme echt mal runter. Auch aufgrund dieser anderen Arbeitsweise. Außerdem kann ich mich hier besser konzentrieren und auf meine Arbeit fokussieren.
Aber wie gesagt, das ist ein erster, kleiner Eindruck, ich habe ja auch noch nicht alles gesehen hier in der kurzen Zeit.

Pia: Wir waren in den ersten Tagen in einigen Ausstellungshäusern. Zum Beispiel in der GaDeWe bei der Eröffnung der Gruppenausstellung der Baumkötter Student*innen, in der Galerie Mitte, in der Städtischen Galerie und du warst in der Weserburg.

Tímea: Und wir waren in der Kunsthalle und im Künstlerhaus. Aber dennoch, mein erster Eindruck bezieht sich erst einmal auf die Künstler*innen, die ich getroffen habe. Nicht auf die Ausstellungen.

Pia: Wir haben Künstler*innen in verschiedenen Künstlerhäusern in ihrem Atelier besucht. Das war für mich damals in Budapest auch interessant. Wir waren im AQB, wo du arbeitest und im Dürer Kert, wo Bea ihr Atelier hat. Es ist einfach schön, diese verschiedenen Orte zu besuchen mit ihrem jeweiligen Charakter, ihrer jeweils eigenen Bauweise.

Hast du denn schon Leute getroffen im/bei Kellogs, Timi?

Tímea: Ja, Emese natürlich. Und einige andere.

Pia: Und weitere werden wir in der nächsten Zeit dort noch treffen. Da sind wir schon verabredet.
Es hat sich ja eigentlich auch total gut ergeben, dass Timi im/bei Kellog’s arbeiten, Noras Atelier nutzen kann. Sie ist gerade – was natürlich auch sehr schade ist – nicht in Bremen. Eigentlich wollten wir im Güterbahnhof zusammen arbeiten, aber so haben wir beide mehr Platz. Und für mich ist es spannend, die Leute, die im/bei Kellog’s arbeiten und die ich zum Teil noch nicht kenne, kennenzulernen: Wer arbeitet dort und wie. Und wer könnte interessant sein als Künstlerin im Projekt.

Das ist gut. Ein Austauschprojekt, dass nicht nur das Networking zwischen zwei Städten veranlasst, sondern auch in der eigenen Stadt …

Tímea: Ja, für mich ist das auch echt perfekt. Für die nächste Runde im nächsten Jahr. Du bist ja seit so langer Zeit in einer Stadt und hast nur deine eigene Orientierung und immer dieselben Leute, mit denen du arbeitest. Aber wenn du eine Künstler*in mit anderen Interessen zu Gast hast, dann musst du nach anderen Arbeiten, Gelegenheiten, Kolleg*innen suchen. Das ist wirklich gut, auf diese Weise die eigene “Stadt” zu entdecken.

Pia: Man denkt noch einmal ganz anders über: den Arbeitsplatz, die Lieblingsorte, die Stadt nach. Erst mal geht man ja vom eigenen Standpunkt aus, hat einen eigenen Blick auf die Dinge. Dann öffnet man das, guckt nochmal anders hin, indem man sich Gedanken macht: Was wäre interessant für die andere Person, interessant als Gast? Das ist wirklich spannend an diesem Projekt. Man überlegt sich: Sollen wir wirklich zusammen arbeiten und leben? Und obwohl ich z.B. was das Wohnen betrifft, verschiedene Angebote von Freunden bekommen hatte – was wirklich auch eine schöne Erfahrung war – habe ich mich dazu entschieden, in meiner WG in einen sehr kleinen Raum zu ziehen, über den ein Freund sagte: Eigentlich ist es nur eine “Matratze mit Tür”. Aber ich mag das wirklich sehr: das Zusammenleben, die kleinen Momente miteinander zu haben und sich nicht extra verabreden zu müssen.

Nun ein, zwei Fragen zu eurer Arbeit.
Timi, du hattest vor, ich zitiere: “Während meines Aufenthaltes in Bremen möchte ich die installative Form meiner Performances weiter entwickeln. Auch das Experimentieren mit Weichskulpturen beschäftigt mich schon lange. Das Projizieren auf neue Texturen, auf amorphe Gestalten könnte den Videos neue Interpretationsmöglichkeiten verleihen.“
Ging dein Plan so auf, beziehungsweise woran arbeitest du gerade?

Tímea: Das Thema, an dem ich arbeite und ein Video dazu habe ich mitgebracht von zu Hause, und mein Plan ist, das Video final zu schneiden und den Sound dazu zu machen. Die Weichskkulpuren auch noch anzufertigen, dazu ist hier keine Zeit. Ich konzentriere mich auf das Video.
Eigentlich arbeite ich mit einer anderen Frau zusammen für die Videos bzw. sie macht den Sound. Jetzt ergibt sich für mich die Chance, den Sound mit jemand anderem zu machen. Mit jemandem aus Bremen. Das Video in der dritten Dimension weiter zu entwickeln, das mache ich dann, wenn ich wieder zurück bin. Als ich das Exposé geschrieben habe, hatte ich viele Ideen und dachte, ich habe eine Menge Zeit, aber dann realisierte ich, es ist vielleicht viel Zeit, aber eben, um eine Sache richtig zu machen.

In dieser Hinsicht war mir Pia wirklich eine große Hilfe. Als wir am zweiten Tag in ihrer Lieblingskneipe saßen, dem März, hat sie mir über ihre Arbeit erzählt. Und ihre Arbeitsweise ist so anders als meine! Schon seit der Akademie zwinge ich mich immer, in kürzester Zeit, eine Arbeit nach der nächsten zu machen. Auch nach Ende der Studienzeit blieb das so: immer produzieren und gezeigt werden, sonst verliert man die Kontakte …

Pia erzählte mir also über ihre Arbeit, die sie in Polen machte:
Sie fotografierte Bilder über zwei Jahre hinweg.
Da dachte ich: Ok, vielleicht bin ich ein bisschen zu schnell.
Ich glaube, das Runterfahren ist auch für mich und meine Arbeit gut.

Pia: Aber es kommt natürlich auch auf die Arbeit an. Manche Arbeiten brauchen länger. Die ersten Schritte, das Reflektieren. Manche gehen schneller. Für mich war es passend, letztes Jahr in Budapest gewesen zu sein und bis zur Ausstellung dieses Jahr eine lange Zeit zu haben, sie zu entwickeln.

Daher war auch eine Frage an dich, ob du die Ausstellung direkt nach deinem zweimonatigen Aufenthalt haben möchtest oder nicht. Nun hoffe ich sehr, dass der Zeitdruck für dich nicht zu groß wird, gleich im Anschluss auszustellen. Aber so war es jetzt für uns beide besser zu realisieren.

Tímea: Für mich ist es in diesem Fall gut, ich hatte ja meine Idee vorher und habe schon begonnen mit der Arbeit. Für mich ist es anders. Wenn ich alles erst hier entwickelt hätte, dann produziert und gleich ausstellen würde, das würde nicht klappen. Aber jetzt habe ich schon einen Teil und konzentriere mich auf den anderen. Außerdem ist es gut, v.a. weil wir zusammen ausstellen, einen Weg zu finden, die Arbeit nicht nur als meine zu verwirklichen, sondern dass sie mit Pias irgendwie zusammengeht, dass beide Arbeiten sich in einem Raum arrangieren. Wir haben uns ja bereits mit Ele getroffen und haben eine sehr gute Lösung gefunden.

Und wie ist das bei dir, Pia? Du hast deine Arbeit ja in Budapest entwickelt im vergangenen Herbst. Und zeigst sie nun in Bremen das erste Mal. Magst du uns etwas zur Entstehung und der Idee erzählen?

Pia: Bevor ich nach Budapest fuhr, überlegte ich, was für eine Arbeit ich machen möchte. Meine Herangehensweise ist meist die, dass ich vorab viel lese und dabei eine Idee entwickele. Dabei wurde mir dann recht schnell klar, dass ich mit der Donau arbeiten will. So hatte ich ein Thema gefunden, das mich interessiert und während der Recherche(reise), die ich vorab gemacht habe, hab ich versucht herauszufinden, ob meine Idee realisierbar ist und ob ich sie vor Ort auch noch gut finde.

Zurück in Bremen konkretisierte ich dann mein Vorhaben und überlegte, wie ich es am besten umsetzen kann. Wie ich einen Weg finde, aus den ganzen Informationen über den Fluss – der durch 10 europäische Staaten fließt, der als Symbol sowohl für Verbindung und Trennung und Grenzüberschreitung steht, für Vergangenheit und Zukunft – eine Vorstellung zu generieren.

Da gibt es so viel Interessantes, und es ist wirklich eine Herausforderung, eine Bildsprache dafür zu finden. So probierte ich viel aus, wurde immer präziser und am Ende reduzierte ich komplett. Auf das pure Wasser.

Das ist so ziemlich die gegenteilige Herangehensweise, das gegenteilige Ergebnis, wie bei Timi, scheint mir, oder?! Bei ihr passiert sehr viel.

Pia: Und das ist das echt Interessante an der Gegenüberstellung unserer beiden Arbeiten: Wie können wir sie in einem Raum, in einer Galerie, präsentieren? Auch deine Art mit den Betrachter*innen zu arbeiten ist anders, als meine. Aber genau das kann richtig gut werden.

Im August eröffnet Eure Doppelausstellung in der Galerie Mitte.
Inwieweit ist es eine Herausforderung, zwei so verschiedene Positionen zu kombinieren?
Setzt ihr eher auf Harmonie oder auf Spannung?

Tímea: Die Lösung, die wir, die Ele, gefunden hat, ist sehr performativ. Eine perfomative Geste. Das passt wirklich gut zu meiner, aber ich denke auch zu Pias Arbeiten. Und es funktioniert zu den beiden sehr unterschiedlichen Themen, die in den Arbeiten stecken.

 

SAVE THE DATE:

Tímea Piróth / Pia Pollmanns
folyam / fluss

16. August bis 5. September 2019

Galerie Mitte
Beim Paulskloster 12
28203 Bremen

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